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Blog aus Ecuador

Nachtrag zum Erdbeben am 16. April

Frank Isfort am 30. April 2016

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Ich kann unser Glück immer noch nicht fassen. Ich habe das Gefühl auf einer kleinen Insel zu sein, die vom Erdbeben verschont wurde!

Nördlich von uns in Esmeraldas ist einiges kaputt gegangen und es gab Tote. Südlich von uns ist noch viel mehr zerstört worden und es gab dort viel mehr Tote. Wie mein ehemaliger Feuerwehrboss Lulu postete – „Hat der einen Schutzengel!“ Kann man echt so sagen.

Noch Tage später haben sie einsam gelegene Dörfer gefunden, wo keiner überlebt hat. Ausgelöscht. Als dann immer mehr schreckliche Nachrichten und Bilder zu sehen waren, standen mir manchmal die Tränen in den Augen. Sonst war immer alles so anonym und weit weg. Jetzt war ich praktisch mitten drin.

Es hat Ecuador auch in einer ungünstigen Zeit erwischt, wo es dem Land wirtschaftlich nicht rosig geht. Es trifft immer die Armen. Jetzt bricht auch noch der Tourismus weg. Keiner will in ein Land reisen wo gerade ein großes Erdbeben war. Wenn es nicht gerade in die Provinz Manabí geht, wird man jedoch nicht viel davon mit bekommen.

Viele Straßen sind unpassierbar geworden. Entweder durch Erdrutsche oder die Fahrbahn wurde beschädigt und aufgebrochen. Diese Abschnitte wurden auch schnell notdürftig behoben. Die Flughäfen von Esmeraldas und Manta, wo der Tower nicht mehr benutzbar ist, hat es nur leicht beschädigt, doch der in Salinas musste geschlossen werden.

Mein Kumpel Rudi aus der Eifel erzählte mir, er hat auch mal ein Erdbeben miterlebt und wäre dabei umgefallen. Danach war er richtig demütig. Für mich kann ich sagen, dass ich mich klein und hilflos fühlte und einen noch größeren Respekt vor den Naturgewalten bekommen habe. Bei einem mittleren Vulkanausbruch des Tungurahua habe ich mich zum ersten Mal so klein gefühlt. Das knallte, zischte und brodelte und ich dachte, wenn der jetzt ein wenig mehr pupst dann war´s das. Da kommt so eine „Urangst“ durch. Wir sind da nur kleine Spielbälle und können nichts machen.

In den ersten zwei Wochen gab es über 2000 Nachbeben, von denen ich nur einige bemerkt habe, doch da war ich auf einen Schlag hellwach und auf dem Sprung. Vier Tage später bin ich bei einem sogar kurz aus dem Haus, weil das Wellblechdach schon „gesungen“ hat. Das Erdbeben hat mich sensibel gemacht. Normalerweise wäre ich liegen geblieben, denn etwas wackeln tut die Erde hier öfter. Auch wenn ich nicht unmittelbar betroffen war, so ist es doch beängstigend und schockierend gewesen. Meine Ängstlichkeit, Schiss oder Respekt kamen erst Tage später. Wiederum einige Tage später gab es noch ein paar kleine Erdstöße, als Alexandra und Johanna mit den Mädchen einen Tanz einübten. Voller Panik sind sie zum Zaun gelaufen, standen eng bei einander und sind dann schnell nach Hause. Die Angst sitzt tief. Gestern beim Unterricht war noch ein kurzes Beben der Stärke 4,2, was die Kinder wieder sehr ängstlich gemacht hat. Die Erde kommt einfach nicht zur Ruhe.

Nikolai, der bei uns den Elektronikunterricht gibt, wohnt in Atacames am Malecon. Bei dem Beben ist er natürlich auch aus dem Haus und da hat ihn eine panische Menschenmasse erwartet, die Kopflos gerannt ist und nicht wusste wohin. Da kennen die Menschen kein Erbarmen mehr und reagieren rücksichtslos. Davor hat er mehr Angst bekommen als vor dem Beben. In Guayaquil und Pedernales gab es dadurch auch Tote.

ErdbebenErdbebenErdbeben Ich möchte noch die Hilfsmaßnahmen loben. Schnell, professionell, gute Ausrüstung und Suchhunde. Habe ich so nicht erwartet. Da hat sich in den letzten Jahren in Ecuador ganz schön was getan! Bei dem Ausmaß der Katastrophe fehlte es jedoch an vielen Ecken und Enden. Auch die Infos waren gut und es wurde direkt ein Forum eingerichtet, wo man Leute suchen und sich selber als OK rein stellen konnte, was Susi zum Glück für mich getan hat. Sie ist, wie viele Sozialarbeiter im Land, in die betroffenen Gebiete geschickt worden. So soll in der ersten Zeit zum Schulanfang das Trauma mit den Kindern verarbeitet werden. Bei so einem Ausmaß, wie dem jetzigen Beben, ist das Land natürlich überfordert und braucht ausländische Hilfe. Viele Menschen hausen jetzt in Lagern unter Plastikplanen. Da auch Krankenhäuser betroffen wurden oder überfüllt sind, wird vielerorts in schnell eingerichteten Behelfsstationen unter einfachsten Bedingungen behandelt, was auch die Helfer belastet. Die Provinz Manabí, wo das Beben nach Zeitungsberichten die meisten Schäden und Opfer gefordert hat, soll zu 70% zerstört sein. Aus Solidarität mit den Opfern durften Bars und Kneipen über eine Woche keinen Alkohol verkaufen und hatten dann auch zu. Die Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung ist nach dem Beben gestiegen. Isabel hilft z.B. mit, Kleidung in Plastiktüten zu packen und in Chamanga zu verteilen.

Das werden auch unsere Kinder merken, denn ich denke dieses Jahr werden wir kaum Kleiderspenden in Ecuador bekommen. Die gehen dahin, wo die Not noch größer ist. Kleidung in Deutschland sammeln und nach Ecuador schicken ist unmöglich. Es darf auch keine gebrauchte Kleidung eingeführt werden. Nach dem Beben werden höchstens die großen Hilfsorganisationen eine Ausnahme bekommen.

Geldspenden helfen viel mehr. Bekannte in Heiligenhaus haben direkt bei Freunden und Verwandten gesammelt und u.a. für eine Antitraumatisierungs-Erdbebenparty für unsere Kinder gespendet. Ein anderer Spender in Heiligenhaus hat auf seiner Geburtstagsfeier auf Geschenke verzichtet und dafür für San Andrés spenden lassen, wobei ein ganz schöner Batzen zusammengekommen ist.

Dann möchte ich mich noch für die vielen besorgten Mails und die Anteilnahme bedanken. Tat meiner kleinen Seele doch gut, denn manchmal fühle ich mich schon etwas vergessen hier in Agus Frías. In so Situationen wie jetzt fehlen die Freunde.

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