Muttertag
Frank Isfort am 15. Mai 2012

Zum ersten Mal erlebte ich den Muttertag richtig mit und eigentlich ist er ein Fest für Männer. In den früheren Jahren hatten wir mit San Andrés selber eine kleine Feier gemacht, bei der die Kinder ein Lied oder ein Gedicht geprobt hatten, um es dann den Müttern vorzutragen. Dieses Jahr fehlte leider das Geld dazu, weil die Kosten für die Schulsachen gestiegen sind und der Schulbau den Rest verschlingt.
So hatte ich dieses Mal Zeit, mir das Spektakel anzuschauen. In Atacames musste ich fast zwei Stunden auf eine Mitfahrgelegenheit bis nach Aguas Frías warten. Was sonst recht nervig ist, machte diesmal richtig Spaß, z. B. den ganzen Trubel der Vorbereitungen auf das große Fest beobachten. Wer konnte hatte sich herausgeputzt, kam zum Schaulaufen nach Atacames und die Frauen geizten nicht mit nackter Haut. Die Menschen vom Land erkannte ich meist an den schlammigen Schuhen und Hosen, einige auch an der zerschlissenen Kleidung. Doch jeder wollte dabei sein.
Viele gingen frühmorgens von Aguas Frías nach Atacames auf den Markt und verkauften ihre Erzeugnisse, um danach für das eigene Fest einzukaufen. Der Pickup, der dann zurück aufs Land fuhr, war heillos überfüllt. Ich zählte 34 Leute auf der Ladefläche, ein Rekord bis jetzt. Dicht gedrängt mit unzähligen Plastiktüten voller Lebensmittel, Kleinkindern auf dem Arm, einige klammerten sich von außen an die Umrandung, ging es über die Holperstrecke aufs Land. Die Leute versuchten krampfhaft die Torten in den Kartons zu retten, doch wenn man auf der Ladefläche hin und her und hoch geschleudert wird, gibt es keine Chance für die Torten und keine kam heil an.
Einige Sippen nutzen Muttertag für große Treffen und bei einer Familie kamen über hundert Leute zusammen, die zwei Busse gechartert hatten. Die kamen aber nicht durch den Bach, und so mussten die Leute in ihrer schicken Aufmachung über den Schlammweg zur Feier laufen.
Der große Teil der Menschen in Aguas Frías traf sich zu einem Pferdeumzug. Da viele Menschen arm sind, sah der Umzug auch etwas armselig und trostlos aus. Mangels Masse fehlte die schöne Aufmachung, doch die Menschen waren stolz und mit ihren schlammverschmierten Schuhen und Hosen hatte es auch Flair! Wahrscheinlich weil ich dabei war, zeigten viele ihre Reitkünste, galoppierten an mir vorbei, ritten eine enge Kurve und umkreisten mich. Natürlich fehlte der Alkohol nicht. Schnapsflaschen wurden von Pferd zu Pferd gereicht, doch die Leute saßen aufrecht. Das Absteigen und Loslaufen war dann schon schwieriger und einige stolperten dabei über ihre eigenen Füße und landeten im Matsch. Zum Glück hielt sich die Sauferei in Grenzen, denn betrunkene Ecuadorianer sind unangenehm und aufdringlich.

Beim Umzug fuhr die Polizei mit Blaulicht vorne mit. Auf dem Land sah das etwas seltsam aus, doch die Polizisten sagten mir, dass es ein Zeichen der Ehre für die Menschen in Aguas Frías sein sollte. Bei der Feier tranken die Polizisten auch Bier. Hinterher fuhren sie noch einige Leute nach Hause und mich nach Súa zu meiner Hütte.
Beim Umzug wurden auch zwei Mütter geehrt. In Ecuador sind Geschenke am Muttertag das Wichtigste. Sie wurden vorher gesammelt, kunstvoll aufgestapelt und mit großem Tamtam verteilt. Als ich erzählte, dass es in Deutschland außer Blumen keine Geschenke gebe, die Männer dafür für die Frauen kochen oder ins Restaurant gehen, war die Verwunderung groß. Viele fanden das nicht gut, denn Kochen ist hier Frauensache. Die Feier war mehr für Männer, denn die Frauen waren mit den Kindern und dem Essen beschäftigt. Auch an Muttertag helfen Männer nicht mit. Frauen stehen lieber abseits zusammen und reden.
