Was für ein Unterschied!
Jakob C. Walter am 29. August 2013

Drei Wochen in „den kalten Wassern“ (Aguas Frías).
Als ich in Atacames aus dem Bus stieg, registrierte ich zunächst die offensichtlichen Differenzen zur Andenmetropole Quito, in der ich mich sonst die restliche Zeit meines halbjährigen Ecuador-Besuchs aufhalte.
Hier an der Küste ist die Temperatur heißer, die Luftfeuchtigkeit höher und die Hautfarbe der Durchschnittsbürger definitiv um einige Nuancen dunkler als auf den 2 800 Höhenmetern der Hauptstadt. Der Einfluss der afro-ecuadorianischen Ethnie ist deutlich zu spüren, wenn man durch die Straßen der ehemaligen Perle des Tourismus im Norden Ecuadors flaniert und die Menschen beobachtet: In Mimik und Gestik sowie in Musikgeschmack und Musiklautstärke hält der Costeño (Küstenbewohner) einiges an Afrika in seiner Seele, auch wenn ich zu meinem Bedauern sagen muss, dass die Melodien zu 99% aus zerbeulten Lautsprechern und nicht etwa aus hölzernen Gitarrenkörpern oder sonstigen Instrumenten der Folklore dröhnen.
Als ich am nächsten Tag mit Frank nach Aguas Frías fahre, werden die Disparitäten für mich noch schärfer definiert: Ohne Wasserleitung, dafür mit Stromausfällen, vielen heruntergekommenen Hütten und einem kaum verständlichen Akzent in der gesprochenen Sprache ist das Tal, in dem sich die Schule befindet, ein klassischer Fall von ruralem Substandard in einem Entwicklungsland, der mit der Landidylle, wie man sie aus unseren Breiten kennt, wenig zu tun hat. Mangel bzw. Desinteresse an Bildung, innerdörfische Streitigkeiten, sowie die wirtschaftliche Armut lassen viele Leute in die trostlosen Arme des Alkoholismus fliehen.

Um zu überleben haben die meisten hier kleine Felder, in denen sie das Nötigste kultivieren. Zusätzlich versuchen viele noch etwas von ihren Feldfrüchten in Atacames zu verkaufen oder sich bei einfachen Arbeiten jenes Kleingeld zu verdienen, von dem man dann all das zu Erwerben versucht, was eben nicht auf dem Feld wächst: Werkzeug, Medizin, Hygieneartikel … Schulsachen? Nun, dafür reicht es dann eben oft nicht mehr.
Hier kommt das Spendenhilfsprojekt San Andrés ins Spiel. Zu Schulbeginn werden Gelder verteilt, mit denen das Nötigste gekauft werden kann. Im Gegenzug „müssen“ die Kinder das Nachhilfe- und Unterstützungsangebot annehmen, welches ihnen während des Schuljahres geboten wird.
Ich hatte in den letzten drei Wochen die Möglichkeit, kleine Unterrichtseinheiten zu gestalten, in denen ich versuchte, den Kindern Basics im Umgang mit Computern und Grundkenntnisse in der englischen Sprache nahe zu bringen. Die Schwierigkeit für mich lag also gewiss nicht am Unterrichtsinhalt. Viel mehr war es schwer, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Kinder auf die Dinge zu ziehen, die ich ihnen beibringen wollte. Zusätzlich konnte ich Frank bei ein paar handwerklichen Tätigkeiten unterstützen und ihm ein bisschen Gesellschaft in der provinziellen Einsamkeit leisten.
Ehrlicherweise muss ich zugeben, dass dieser Lebensstil auf dauer nichts für mich wäre, jedoch bin ich sehr froh, diese Erfahrung gemacht zu haben. Jetzt freue ich mich wieder auf meine Freunde und Bekannten oben in Quito, wohin ich bald wieder zurückkehren werde. Jedoch bin ich auch gespannt, wie es hier in Aguas Frías die nächste Zeit weitergehen wird und werde mich auf dieser Homepage weiterhin informieren!
Mit freundlichen Grüßen
Jakob C. Walter